Wir erforschen Stadträume und entwickeln Konzepte für urbane Herausforderungen von heute und morgen. Dabei verpflichten wir uns als gemeinnützige und unabhängige Organisation zu maximalem Gemeinwohl und radikaler Kreativität.
Das Team vor dem "Forsthaus" – unserem Büro in der Forsterstraße, Berlin-Kreuzberg.
Unsere Geschichte beginnt 2014 mit einigen aufgeregten Anrufen. Der Berliner Exil-Finne Martti Mela befragt seine Bekannten, die etwas mit Architektur, Stadtentwicklung und Politik zu tun haben: Warum nutzt Berlin den Raum unter dem Kreuzberger U1-Hochbahnviadukt nicht zum Radfahren?
Wir, die Gefragten, finden die Frage spannend und spielen uns von nun an die Bälle zu: Schritt für Schritt entsteht die Vision einer vor Regen und Autoverkehr geschützten Strecke durch die deutsche Hauptstadt, in der bislang nur die Mutigen aufs Fahrrad steigen.
Als im September 2015 deutsche Autobauer in den Abgasskandal verwickelt sind, ergibt sich ein verkehrspolitisches Momentum, das wir nutzen: Am 15.11. starten wir die Radbahn-Kampagne via Social Media. Innerhalb weniger Tage hat das Konzept 10.000 Facebook-Fans, erhält deutschlandweit mediale Aufmerksamkeit und gewinnt den Bundespreis EcoDesign.
Nur sechs Tage nach unserer Veröffentlichung startet auch der Berliner Volksentscheid Fahrrad seine Kampagne und keine drei Wochen später einigen sich 197 Staaten in Paris auf das Klimaabkommen. Plötzlich spricht man in Berlin und Deutschland über die Notwendigkeit einer Verkehrswende.
Und jetzt, wie weiter? Wir brauchen Spenden und Projektmittel um das Arbeitspensum aufrechtzuhalten und gründen einen gemeinnützigen Verein. Ab jetzt erforschen wir unter dem Namen paper planes e.V. ganz offiziell und im Sinne des Gemeinwohls “gesellschaftliche und technologische Potenziale, die zu umwelt- und menschengerechteren und dadurch lebenswerteren Stadträumen führen.”
Mit der Unterstützung vieler Radbahn-Fans schreiben wir 2017 das Buch zum Projekt: “Radbahn Berlin: Zukunftsperspektiven für die ökomobile Stadt” – mit ihm gelingt es uns zunehmend, auch Berlins Landespolitiker*innen parteiübergreifend für das Projekt zu interessieren.
Die Innovationskraft des Radbahn-Konzepts für Berlin als “Smart City” bzw. der “Smart Citizens” betonen wir 2018 mit dem Wettbewerb Radbahn+Innovators. Eine Fachjury u.a. mit Vertreter*innen der Berliner Senatskanzlei, der Industrie- und Handelskammer Berlin und vielen weiteren Partnern kann aus 31 Einreichungen aus ganz Europa wählen.
Der Siegerbeitrag VibRad von Fabulism
2019 gelingt uns schließlich ein erfolgreicher Antrag für das Bundesprogramm Nationale Projekte des Städtebaus. In Kooperation mit der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg entsteht bis 2023 das Reallabor Radbahn – eine Pilotstrecke der Radbahn.
Die testweise Umgestaltung der Berliner Bergmannstraße zur „Begegnungszone“ führt 2019 zu einem Patt in der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirkspolitik. Wie so oft in Verkehrswendeprozessen entlädt sich die Kritik der Skeptiker an Details: Hier ist es das Design der Parklets (Erweiterungen der Bürgersteige auf ehemalige Parkbuchten), die die feindselige Stimmung nähren und das Sommerloch der Hauptstadtpresse füllen. Die Fraktionen sind gespalten. Die Verwaltung ist verunsichert. Die Testphase wird abgebrochen. Nun braucht es Brückenbauer.
Für unsere Arbeit an der Radbahn kennt man uns mittlerweile in der Kreuzberger Politik und beauftragt uns kurzerhand einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten. In über 50 Einzelinterviews mit Passant*innen zu Zweck, Funktion und Gestaltung der Begegnungszone erfahren wir viel über die Sorgen, Vorlieben und Verbesserungsvorschläge der Menschen. Das Straßenstimmungsbild wird Teil unserer Analyse, die das Fundament eines Workshops mit Politik und Initiativen bildet. Uns gelingt ein überparteilicher Kompromiss, der die heutige Gestaltung der Bergmannstraße vorbereitet.
Mit Pop-Up-Wald geben wir den Lerneffekten aus unserer Untersuchung der Bergmannstraße eine Form. Anders als die bis ins Kleinste durchgestylten und dadurch in ihrer Nutzung stark vordefinierten Parklets, entwerfen und bauten wir nun eigene Stadtmöbel. Wir entscheiden uns mit Holz für einen natürlichen, einfach adaptierbaren und leicht wiederverwertbaren Grundstoff. Wir experimentieren mit Sitzmöbel mit integrierten Pflanz- und Baumkübeln, die kleine Überraschungsmomente für die Bewohner und Besucher*innen schaffen sollen: Eine kleine Flucht aus dem Corona-Alltagstrott
Die temporäre und mobile urbane Installation tauchte an verschiedene Orte im Soldiner Kiez in Berlin-Gesundbrunnen auf. Durch Pop-Up-Wald erleben wir ein Quartier, das oft als "Problemziez" verschrien wird, als besonders nachbarschaftlich, offen und engagiert.
Das Projekt Pop-Up-Wald erhielt Mitteln des Programms “Sozialer Zusammenhalt”.
2021 haben wir uns zwei Herausforderungen angenommen und sie zu einem Konzept vermengt: Auf der einen Seite die Nachnutzung von Autobahnen, wie der aus der Zeit gefallenen halbfertigen Verkehrsinfrastruktur der Berliner A100 (16. Bauabschnitt) und auf der anderen Seite der emissionsreichen konventionelle Landwirtschaft, die für den Großteil der globalen Treibhausgase verantwortlich ist.
morgenfarm Workshop im Sommer 2021
Wie schon bei unserem Konzept zur Radbahn Berlin, interessierte uns auch beim Konzept zur morgenfarm die nachhaltige Transformation der betonierten und asphaltierten “graue Energie”. Denn in einer verschärften Klimakrise wird es mehr und mehr darum gehen, gestrige Infrastrukturen einer sinnvollen Nachnutzung zu überführen und beispielsweise – wie am Denkanstoß morgenfarm – globale Infrastrukturen (wie Autobahnen) in dezentrale Strukturen (wie vertikale Farmen) zu verwandeln.
Für die Erarbeitung des Konzepts wurde paper planes e.V. von der European Climate Foundation (ECF) gefördert.
forsTerrasse im Herbst 2021
2021 haben wir gemeinsam mit dem Team des Reallabor Radbahn begonnen, vor unserem Büro in der Forster Straße 52 in 10999 Berlin-Kreuzberg in den Sommermonaten ein Parklet im Rahmen der Bezirksinitiative Xhain-Terrassen zu schaffen. Die forsTerrasse kehrt seit dem jährlich wieder.
Entstanden in gemeinsamen Workshops mit Nachbar*innen und Interessierten ist sie wiederum eine Weiterentwicklung des Pop-Up-Walds: Noch vielfältiger in ihrer Interpretationsspielraum für Nutzer*innen, noch variabler und modularer als Bausatz, der quasi jederzeit an verschiedenen Orten in unterschiedlicher Form auftauchen kann! Ein großer Tisch bietet dabei den Mittelpunkt und fungiert als sozialer Treffpunkt für die Nachbarschaft, ebenso als Tischtennisplatte; Auch Werkzeuge zur Reparatur von Fahrrädern sind baulich integriert; Ständig wird die ForsTerrasse weiterentwickelt und aufs Neue an die Wünsche und Bedürfnisse der Nachbarschaft angepasst!
Schaut zwischen Mai und September mal vorbei und klopft an die Scheibe unseres Ladenbüros. Wir freuen uns immer Leute kennenzulernen, die tatsächlich unsere Webseite lesen :-)
forsTerrasse 2022
Uns fasziniert schon lange das Potenzial des öffentlichen Raums als urbanes Gemeingut, den wir Bürger*innen viel zu leichtfertig den (zumeist stehenden) Autos überlassen. 2022 ist es schließlich soweit, dass wir unsere über die Jahre zu einem Gesamtkonzept verdichteten Gedanken veröffentlichen.
Unterstützt von unseren forschenden Partner*innen vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und der TU Berlin veröffentlichen wir 7 Thesen, die einen Weg beschreiben, wie die Straße anders genutzt werden sollte, um das Leben in Städten in den kommenden Jahrzehnten attraktiv und produktiv zu gestalten. Dabei mitgedacht die Megatrends, die den Alltag der kommenden Jahre bestimmen werden, wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Soziale Ungleichheit, demografischer Wandel und natürlich den Klimawandel.
„[...] lesen Sie dieses Buch! Oder: Versuchen Sie es. Denn: Eigentlich will man es nach fünf Minuten gleich wieder zuklappen und voller Elan loslegen mit dem Weltverbessern in seiner eigenen Nachbarschaft.“
Fabian Scheuermann in der Frankfurter Rundschau über das “Manifest der freien Straße”
Das Projekt wurde von der Stiftung Mercator gefördert.
Seit Frühjahr 2023 unterstützt paper planes e.V. den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bei der schrittweisen Entwicklung eines neuen Verkehrs- und Freiflächenkonzepts für den Graefekiez – der Heimat von etwa 22.000 Berliner*innen. Verantwortlich für die Bürgerbeteiligung haben wir nach einem ersten Kennenlernen der Bedürfnisse der Nachbarschaft beim „Markt der Möglichkeiten“, waren wir von Mai bis September mit einer wöchentlichen Vor-Ort-Sprechstunde vor Ort und sammeln Wünsche, Hinweise und lokales Wissen und visualisieren es in einer Karte (Link zur Online-Version).
In den kommenden Jahren soll der öffentliche Raum (Straßen, Gehwege, Grünflächen) in dem Kreuzberger Quartier fit für die Zukunft gemacht werden. Um Antworten auf die größten Herausforderungen bei dieser Umgestaltung zu finden, bereiten wir derzeit Themenwerkstätten mit Expertinnen, Betroffenenvertretern, Fachverbänden und Bezirkspolitik sowie weitere Mitmachformate vor.
Unter anderem gelang es uns als Schnittstellenakteur in enger Partnerschaft mit den Nachbarinnen und Gewerbetreibende auf der einen Seite, sowie dem Straßen- und Grünflächenamt auf der anderen Seite, einen Prozess der zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation zu initiieren: Die Betreiberschaft von insgesamt 16 entsiegelte Flächen (bis zu 80qm) im Kernbereich wurden erfolgreich an engagierte Hobby-Gärtner*innen vergeben. So geht Klimaanpassung mit der Zivilgesellschaft!
CI-Design zu "Hey Graefekiez": Julia Hein / UdK Spur:wechsel
Aufbauend auf den Ergebnissen der Beteiligung wurden u.a. zwei Herausforderungen des Kiezes identifiziert, die in Workshops mit verschiedenen Beteiligten bearbeitet wurden. So fand im Juli 2023 ein Workshop zum Thema Wassermanagement für Grünflächen (Dokumentation herunterladen) statt. Im Januar 2024 folgte eine Themenwerkstatt zu Lärm und (Un-)Ordnung im öffentlichen Raum (Dokumentation herunterladen). Vertreter:innen aus Politik, Bürgerschaft sowie Initiativen und Vereinen diskutierten gemeinsam und erarbeiteten konkrete Handlungsvorschläge.
Den bisherigen Projektverlauf nachlesen:
Newsletter #1 vom 6. April 2023: "Hey Graefekiez!" // Newsletter #2 vom 19. April 2023: „Hey Graefekiez! – Unser Programm am Samstag“ // Newsletter #3 vom 24. Mai 2023: „Neu im Kiez: Sprechstunde & mitmachen!“ // Newsletter #4 vom 17. Juni 2023: „Rückblick Aktiven-Treffen / Verzögerung Bauarbeiten" // Newsletter #5 vom 12. Juli 2023: „Entsiegelung beginnt / Pate werden" // Newsletter #6 vom 1. August 2023: „Plankarte und Infoschild stehen / Zum Stand der Patenschaften" // Newsletter #7 vom 19. August Zum Stand der Entsiegelung / Viel los im September! // Newsletter #8 vom 05. September 2023: Update Baumaßnahmen / Aktiven-Treffen / Kiezlabor und weitere Termine! // Newsletter #9 vom 23. September 2023: Letzte Sprechstunde / ARD im Graefekiez / Jelbi kommt! // Newsletter #10 vom 26. Oktober 2023: Jelbi mit neuen Sharing-Angeboten im Graefekiez // Newsletter #11 vom 4. Dezember 2023: Stand der Beteiligung / Termine / Info zu Lade- und Lieferzonen
Im Sommer 2023 wandte sich die Wirtschaftsförderung Wilhelmshaven an uns: Der seit Jahrzehnten von Wilhelmshaven beanspruchte Slogan der „Grünen Stadt am Meer“ sollte auch innerstädtisch mit Leben gefüllt werden.
Wie viele andere Stadtzentren in Deutschland, hat auch die friesische Hafenstadt am Jadebusen mit Leerstand zu kämpfen. Idee des vom Bund geförderten Projekts „Urban Farm Wilhelmshaven“ ist es durch Urban Gardening, Indoor Farming und Vertical Farming die Attraktivität der Innenstadt für Bürgerinnen und Touristen zu steigern und neue Wirtschafts- und Gemeinschaftsflächen zu schaffen sowie Klimaanpassungen vorzunehmen.
paper planes e.V. entwickelten daraufhin das Konzept „THE WHVE“ – einen Masterplan für eine „grüne Welle“ in Wilhelmshaven (Kennzeichen WHV), die vom Südstrand in die Innenstadt (und zurück) führt. Das Konzept THE WHVE visualisiert einen Parkour grünen Interventionen, es lenkt Blicke und stärkt die bestehenden Potenziale der Innenstadt. Einige Maßnahmen sind kurzfristig umsetzbar, andere bieten langfristig Orientierung.
paper planes e.V. entwickelten daraufhin das Konzept „THE WHVE“ – einen Masterplan für eine „grüne Welle“ in Wilhelmshaven (Kennzeichen WHV), die vom Südstrand in die Innenstadt (und zurück) führt. Das Konzept THE WHVE visualisiert einen Parkour grünen Interventionen, es lenkt Blicke und stärkt die bestehenden Potenziale der Innenstadt. Einige Maßnahmen sind kurzfristig umsetzbar, andere bieten langfristig Orientierung.
Mittels unseres Visualisierungen wurde das entwickelte Leitmotiv eines grünen Stadtparkours kommunizierbar – sowohl innerhalb der städtischen Gremien, den freien Institutionen als auch gegenüber den Menschen in Wilhelmshaven. Gleichzeitig ließen die entwickelten Skizzen genug Spielraum für die Akteure vor Ort und ihre Ideen.
Gemeinsam mit unseren Projektpartnern Multiplicities Berlin und dem Autonomen Architektur Atelier (AAA GmbH) aus Bremen (c/o Projektleitung ZZZ-Zwischen Zeit Zentrale Bremen) führten wir auf dieser Grundlage Kreativwerkstätten in Wilhelmshaven durch und „THE WHVE“ wurde mittels Beteiligung Schritt für Schritt zu einem echten Wilhelmshavener Projekt.
Fotos der Kreativwerkstatt: Baerenstark.Media.